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Post-Privacy-Startup: Buffer legt Umsatz, Liquidität und Gehälter offen

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Buffer machte schon häufiger Dinge anders als die Mehrzahl der Startups. Jetzt geht das österreichisch-britische Jungunternehmen so weit, sämtliche Schlüsselmetriken, Erfolgszahlen und sogar Gehälter offenzulegen.

BufferIn der Vergangenheit haben wir einige Male über Startups berichtet, die sich nicht der üblichen Heimlichtuerei rund um Schlüsselzahlen und Erfolgsmetriken hingeben sondern einen größzügigeren Einblick in ihre Entwicklung gewähren. Doch der Twitter- und Social-Media-Planer Buffer lässt nun jeden derartigen Versuch der Vergangenheit verblassen. Das österreichisch-britische Unternehmen mit Sitz in San Francisco nimmt sein in den internen Werten festgeschriebenes Transparenzgebot mittlerweile nämlich so genau, dass es sämtliche Daten zur finanziellen Geschäftsentwicklung, genaue Details zu Nutzerzahlen und sogar die Gehälter aller Teammitglieder offenlegt.

Schon seit längerem verdient Buffer den Stempel eines Ausnahme-Startups. Die Macher Leo Widrich und Joel Gascoigne versuchen wie kein anderes uns bekanntes Unternehmergespann der Internetbranche, von den üblichen Branchengepflogenheiten wo nur möglich abzuweichen. Zuletzt gelang es ihnen mit radikaler Offenheit und dank einer zuvor mühselig aufgebauten verzeihenden Community, einen unschönen Hackerangriff in ein Happy End zu verwandeln. Dennoch sind die jüngsten Vorstöße eine Überraschung. Denn so weit hat sich nach unserem Wissen tatsächlich noch nie ein privat gehaltenes Webunternehmen hervorgewagt.

Barreserven 318.651 Dollar

In einem speziellen, unter open.bufferapp.com befindlichen Firmenblog lassen die in Kalifornien beheimateten Europäer vollständig die Hüllen fallen. Jeden Monat veröffentlichen sie einen Beitrag mit aktuellsten Wachstumszahlen. Für November etwa ist zu lesen, dass die Gesamtzahl der Nutzer um 66.000 auf 1.189.000 gesteigert werden konnte. Täglich aktiv waren im selben Monat 30.600, 5,8 Prozent weniger als im Oktober. Der Umsatz lag bei 196.000 Dollar, die Barreserven des Unternehmens betrugen 318.651 Dollar, etwas mehr als im Vormonat (311.719 Dollar).

Transparenz auch bei den Gehältern

Für einen Tech- und Startup-Berichterstatter wie mich besitzen allein diese Einblicke Sensationswert, so extrem unterscheiden sie sich von der Norm. Doch mit der gestern publizierten “Open Salaries”-Initiative legt Buffer noch einen drauf: In diesem Beitrag im selben Blog erklärt Buffer-Gründer Joel Gascoigne im Detail, wie sich die Gehälter der Buffer-Mitarbeitenden zusammensetzen, und welche Attribute (Art der Stelle, Seniorität, Erfahrung, Arbeitsort) wie den Lohn beeinflussen. Und dann listet der Artikel sämtliche Löhne des Buffer-Teams auf. CEO Gascoigne kommt demnach auf ein Brutto-Jahreseinkommen von 158.000 Dollar, sein Co-Founder Widrich auf 146.800 Dollar. Die restlichen Teammitglieder verdienen zwischen 137.600 und 76.000 Dollar Brutto jährlich.

Keine Angst vor den Risiken

Buffer bricht mit diesen Veröffentlichungen ein bislang nach meinem Verständnis branchenweit nicht einmal in Frage gestelltes Tabu. Den Geschäftserfolg entlarvende Schlüsselmetriken für sich zu behalten, gilt als Standard, vom dem nur in Ausnahmfällen und sehr selektiv abgewichen wird. Zu groß ist die Furcht, dass Konkurrenten aus den Informationen Nutzen ziehen könnten, oder dass die Öffentlichkeit erfährt, dass es um ein Startup trotz großspurigem Auftreten ziemlich schlecht steht. Gehälter in einer derartig prominenten Form öffentlich zu machen, würde ebenfalls alle möglichen Bedenken wecken, von Schwierigkeiten, Startup-”Rockstars” anzuheuern, die ungern andere in ihre Karten blicken lassen, bis zu firmeninternen Spannungen, die aus Missgunst, Neid und Anspruchsdenken resultieren.

Vieler dieser Einwände gegen Buffers ultimative Transparenz tauchen auch in den Kommentaren zu den Blogbeiträgen auf. Dass der Vorstoß aufgrund dieser oder anderer möglicher “Nebenwirkungen” nach hinten losgehen kann, lässt sich kaum bestreiten. Wenn nicht heute, dann vielleicht zu einem Zeitpunkt, an dem die Unternehmensentwicklung weniger erfreulich verläuft. Einmal komplett der Offenheit verpflichtet, ist eine Rückkehr zur Verschlossenheit ohne Ansehens- und Glaubwürdigkeitsverlust nämlich kaum noch möglich. Auch manch ein potenzieller Kaufinteressent könnte sich eine Offerte lieber zweimal überlegen. Denn was im kleinen, eingeschworenen Kreis eines Startups mit hundertprozentig hinter der Strategie stehenden, leidenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern funktioniert, ist unter dem Dach eines größeren Unternehmens mit einer eher klassisch-konservativen DNA schwierig bis unmöglich.

Ein Startup mit Mut

Gascoigne und Widrich gehen, eigentlich ohne Not, ein großes Risiko ein. Das wird ihnen einige Skeptiker bescheren. Andererseits legen sie etwas an den Tag, das in der Onlinebranche trotz aller Weltverbesserungsparolen Mangelware ist: Idealismus. Weil kein anderes bekanntes Startup an dieser Stelle im Lebenszyklus jemals einen Versuch dieser Art gewagt hat, weiß niemand, welche positiven Konsequenzen es haben könnte. Die Köpfe hinter Buffer haben sich für ein Experiment unter Realbedingungen entschieden, dessen Ausgang schwer vorherzusehen ist. Viele werden ganz genau hinschauen; Gründer, Investoren und Journalisten. Und die meisten dürften ungeachtet ihrer persönlichen Haltung insgeheim dankbar dafür sein, dass ein Startup den Mut für wirklich radikale Schritte aufbringt. /mw


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